Ein anstößiges Bild

Zum Mosaik über dem Haupteingang der Kreuzkirche

Stand: 07.01.2022

Zwischen den Anhängern Jesu und dem etablierten Judentum kam es 90 n. Chr. zur endgültigen Trennung. Die gegensätzlichen Auffassungen bezüglich der Bedeutung Jesu wurden unüberbrückbar, zumal die junge Kirche auch längst begonnen hatte, Nichtjuden in ihre Gemeinschaft aufzunehmen, ohne sie den religiösen jüdischen Gesetzen zu unterwerfen. Damit wurde es für die Christen notwendig, ein eigenes theologisches Profil und ein neues Selbstbewusstsein in deutlicher Abgrenzung zur ursprünglichen Gemeinschaft zu entwickeln. Wer einen Bruch herbeiführt, braucht eine gute Rechtfertigung dafür. Die ersten Ansätze davon finden wir deutlich im Johannesevangelium, das manchmal sehr scharf gegen „die Juden“ argumentiert. Gemeint sind dabei aber nicht generell alle Juden, sondern die religiösen und theologischen Autoritäten der damaligen Zeit, die Jesus nicht als Messias anerkennen wollten.

Blick auf die Eingangstüren der Kreuzkirche, über denen jeweils ein Mosaik (Entstehungsjahr 1916) angebracht ist. Über dem Haupteingang in der Mitte findet sich das betreffende Mosaik.

Die Zerstörung des jüdischen Tempels 70 n. Chr. durch die Römer und erst recht der Landverlust durch die endgültige Vertreibung aus Palästina 142 n. Chr. wurden deshalb von den Christen als geschichtlicher Gottesbeweis für die Verwerfung des bisherigen auserwählten Volkes und seiner Ersetzung durch die Kirche betrachtet. Dieser Gedanke wird „Substitutionstheologie“ (Ersetzungstheologie) genannt und förderte fortan ein Überlegenheitsgefühl gegenüber allen Juden. Weil obendrein innerhalb der Kirche die sogenannten „Heidenchristen“ aus der griechisch-römischen Denkwelt die absolute Oberhand gewannen und die Judenchristen verdrängten, verlor sich bald in der christlichen Theologie jegliches Verständnis für Denkweise, Ausdruck und Theologie des Judentums. Man konnte die biblischen Schriften nur noch durch eine fremde Brille lesen und interpretierte sie nicht mehr aufgrund ihrer semitischen Basis.

 

So wurde z.B. das jüdische Volk als Ganzes und für alle Zeiten als Gottesmörder abgestempelt durch das von Matthäus überlieferte Zitat: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder.“ (Mt 27,25) Dass es sich hierbei lediglich um einen formelhaften Ausdruck für ein gutes Gewissen der beim Urteil Anwesenden handelt, konnten die Heidenchristen nicht mehr nach-vollziehen. Um die Vorstellung zu untermauern, Gott habe sein bisheriges geliebtes Volk endgültig verworfen und durch die Kirche ersetzt, wurden auch andere Schriftzitate herangezogen und entsprechend interpretiert. Eine Hauptrolle spielt dabei das Zitat aus Psalm 69,24: „Ihre Augen sollen finster werden, so dass sie nicht sehen und ihr Rücken sei stets gebeugt.“ 

Aufgrund dieses Zitats wurden Christen und Juden in der Kunstgeschichte jahrhundertelang durch zwei Frauenfiguren dargestellt, so auch hier: Das neue Gottesvolk der Christen als triumphierende Frau – oft mit einem Kelch als Symbol für den neuen Bund durch Christi Blut; das verworfene jüdische Volk als Frau mit verbundenen Augen („blind“ für den Messias Jesus) oder als vermeintliche Gottesmörder fortgeschickt vom Kreuz mit gekrümmtem Rücken und zerbrochenem Stab. Gerade durch diese weitverbreitete Darstellung wurden der Antijudaismus und letztlich der Antisemitismus in all ihren Ausformungen durch die Zeiten lebendig gehalten, gefördert und gerechtfertigt. Der sogenannte Holocaust, die Schoa, mit der grausamen Vernichtung von 6 Millionen Juden ist der entsetzliche Gipfel dieser Entwicklung. Als das Mosaik 1916 gestaltet wurde, war der Antisemitismus in Deutschland weit verbreitete Geisteshaltung.

Die Darstellung der blinden, gebrechlichen Frau findet sich in und an vielen Kirchengebäuden, hier an der Kathedrale Notre Dame.

Seit dem 2. Vatikanischen Konzil 1965 hat die katholische Kirche einen klaren Bruch mit dieser Substitutionstheologie vollzogen und sich die Tatsache vom Niemals gekündigten Bund Gottes mit seinem Volk wieder zu eigen gemacht. So sagt Gott doch zu ihm: „Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt, darum habe ich dir die Treue bewahrt.“ (Jer 31,3

 

Für die frühesten christlichen Schriften, die vor der Trennung von der jüdischen Gemeinschaft entstanden sind (die Paulusbriefe um 50 n. Chr.), war dieser Gedanke noch ganz selbstverständlich. Wenn vom „Volk Gottes“ die Rede ist, ist immer das jüdische Volk gemeint. Paulus fragt: „Hat Gott sein Volk verstoßen? Keineswegs! Gott hat sein Volk nicht verstoßen, das er im Voraus erwählt hat. [...] Von der Erwählung her gesehen sind sie (die Juden) Geliebte, um der Väter willen. Unwiderruflich sind nämlich die Gnadengaben und Berufung durch Gott.“ Und der jungen römischen Christengemeinde, die sich offensichtlich überlegen fühlt, schreibt er nachdrücklich ins Stammbuch: „Wenn du als Zweig vom wilden Ölbaum mitten unter ihnen eingepfropft wurdest und damit Anteil erhieltest an der kraftvollen Wurzel des edlen Ölbaumes, so rühme dich nicht gegen die anderen Zweige. Du solltest wissen: Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich. Sei daher nicht überheblich!“ (beide Zitate aus Röm 11)  

Nicht nur Abgrenzung, sondern auch die Verbundenheit zum Judentum wurde vielerorts künstlerisch zum Ausdruck gebracht. Hier durch einen David-Stern vor der St. Annakirche in unserem Pastoralen Raum (Entstehungsjahr 1913).

Darauf greift die katholische Kirche heute ausdrücklich zurück: Gott hat den Bund mit seinem auserwählten Volk niemals aufgekündigt! Gott hat sein Volk nicht verworfen und durch die Gemeinschaft der Kirche ersetzt! Die Christen sind lediglich Miterben an der Verheißung Gottes (s. Eph 3,6) – gemeinsam mit dem jüdischen Volk. Aus dieser klaren biblischen Grundlage heraus hat sich in der Theologie und an vielen Orten in Deutschland ein sehr fruchtbarer christlich-jüdischer Dialog entwickelt, der häufig gemeinsame Aktionen und Stellungnahmen hervorbringt. Mit Blick auf die unselige christliche Haltung zum Judentum und ihre geschichtlichen Folgen bleibt dieser Dialog eine beständige Verpflichtung.

 

So muss dieses anstößige Bild heute zum Anstoß werden, sich an den eigentlichen Auftrag des Gottesvolkes zu erinnern. Es definiert sich nicht durch Abgrenzung, Spaltung oder Hass, wie es auf christlicher Seite viel zu lange geschehen ist. Der Auftrag für das gemeinsame Gottesvolk – in seiner je eigenen Ausprägung - lautet: „Ein Segen sollst du sein. Durch dich sollen alle Völker der Erde Segen erlangen.“ (Gen 12,2f)

 

Sonntagsmessen

So. 10.00 Uhr Hl. Geist
So. 11.30 Uhr Hl. Kreuz

 

Herzliche Einladung zum
Gemeindecafé
im Gemeindehaus von Heilig Kreuz
(Zugang über den Kleinen Saal)

jeden Dienstag von 15–18 Uhr

und

jeden 1. Sonntag im Monat
nach der Messe um 11.30 Uhr    (nicht in den Schulferien)

Pfarrbrief

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